unibrennt eine basisdemokratische Bewegung von Vielen
Dieser Post ist Teil der Serie unibrennt wird 5 — Ein Rückblick in 4 Teilen
unibrennt ist klar gescheitert… so hört und liest man es oft, und jede/r hat dafür seine eigenen Analysen. Gleiches wurde auch schon über 1968, sowie über die Alter-Globalisierungsbewegung gesagt und Gleiches wird auch heute wieder allzu gerne über andere aktuelle Soziale Bewegungen gesagt. Occupy, Indignados, Gezi-Park, Arabische Rebellion und viele mehr dürfen zwar für tage- und oft auch wochenlange Schlagzeilen herhalten aber am Schluss war dann eigentlich immer schon klar dass sie scheitern werden, ja eigentlich immer schon zum Scheitern verurteilt sind. Der Fetisch des für gescheitert Erklärens von Sozialen Bewegungen, von Versuchen andere Formen des Lebens, Arbeitens, Produzierens, Konsumierens und andere Formen der Demokratie auszuprobieren ist dabei meistens nur die erleichterte Reaktion der Politik wie der Medien, dass doch alles beim Alten bleiben kann, dass man doch nicht das Herrschende hinterfragen muss, dass es eben doch keine Alternative gibt. Doch was schon für 1968 nicht gestimmt hat, wird auch heute nicht richtiger.
Audimaxismus
Zwei Gründe die in diesen allgemeinen „alles ist gescheitert“- Pamphleten gerne genannt werden und die nicht nur bei #unibrennt sehr eng zusammenhängen, sind die Basisdemokratie und die Verweigerung klassischer Repräsentation. Viele der Methoden und Strategien die unibrennt hier in den ersten Tagen entwickelte und auch ständig, über das eigene Wiki, eigene Arbeitsgruppen wie auch über lange Diskussionen im Plenum weiterentwickelte, sind dabei keinesfalls neu, sondern übernommen aus Bagru-Plena gleichermaßen wie aus internationalen politischen Bewegungen. Und viele diese Taktiken haben sich auch international in den zahllosen Sozialen Bewegungen seit 2009 als charakteristische Methoden durchgesetzt. Die Verwendung von Gebärdensprache z.b. um Zustimmung oder Abneigung zu signalisieren erwies sich nicht nur im Audimax als geeignetes Mittel um Stimmungsbilder zu einzelnen gerade vorgetragenen Punkten sichtbar zu machen ohne die Diskussion zu stören und kann dabei auch die Barrierefreiheit von Diskussionen zu erhöhen wie die Diskussionskultur im Allgemeinen positiv zu beeinflussen.
Basisdemokratie stellt an sich selbst meist sehr hohe Ansprüche, Ansprüche denen eine Bewegung selten gerecht werden kann, doch umso mehr ist es wichtig zumindest zu probieren diese Ansprüche zu erfüllen. Auch in einem mehrstündigen Plena, und vor allem in einer so heterogenen Bewegung wie es unibrennt war, gibt es Hierarchien. Manche Hierarchien und Herrschaftsverhältnisse schleichen sich indirekt über den Verlauf der Bewegung ein, andere werden bewusst oder unbewusst in dem alltäglichen Aufeinandertreffen reproduziert. Wichtig ist, dass stets versucht wird diese Hierarchien zu benennen und zu diskutieren und so auch versucht wird ein solidarischeres und faireres Miteinander zu schaffen. Leider wird diese Diskussion und diese Reflexion allzu oft zu wenig geführt, oftmals wird das Diskutieren von Problemen innerhalb der Bewegung als lästig, zeitintensiv und sinnlos empfunden, steht es doch den „großen politischen Fragen und Entscheidungen“ im Weg. Doch beides ist enorm wichtig und es kann und darf nicht um ein entweder/oder gehen.
Diese Vorstellung von Basisdemokratie die in unibrennt in viel detaillierterer Art und Weise verhandelt und versucht wurde, schließt ihrerseits wiederum Menschen aus. Denn wie Isabell Lorey es in Bezug auf Occupy nennt, handelt es sich hierbei um eine „Präsenzdemokratie“. Anwesenheit ist dabei eine wichtige Ressource um mitzumachen, eine sehr zeitintensive Anwesenheit, die von den AktivistInnen viel abverlangt und eben auch oft aus ökonomischen und sonstigen Verpflichtungen unerfüllbar scheint. Der Versuch durch das konsequente livestreamen aller Plena, und den Diskussionsraum über Twitter und Wikis zu erweitern ist dabei ein ambitionierter gewesen und doch bleibt oft das Gefühl dass die Entschieden haben, die am längsten sitzen geblieben sind und am meisten diskutiert haben.
Doch unibrennt hat gezeigt dass Basisdemokratie eben nicht nur in Plena stattfindet, sondern ein umfassenderes Konzept sein muss. Ein solidarisches Miteinander in der Vokü, im gemeinsamen Putzen (das doch zu oft nur an einigen hängen bleibt) und in den vielen kleinen Alltäglichkeiten, die jedoch essentiell sind um eine Besetzung dieses Außmases, eine Besetzung auf die Wochenlang nicht nur die üblichen Augen des Verfassungsschutzes gerichtet waren, sondern außnahmsweise auch die Augen der Politik und der medialen Öffentlichkeit. Bei aller berechtigten Kritik hat unibrennt, genauso wie die KollegInnen im Gezi-Park, im Zucotti-Park, am Tahrir-Platz und an vielen anderen besetzen Orten gezeigt, dass Basisdemokratie mehr ist als nur ein paar Abstimmungen.
Eine/r von Vielen
Eng mit der Plena-Struktur und der Vorstellung von Basisdemokratie ist auch die Verweigerung jeglicher Wahl von RepräsentantInnen verbunden. Eine Strategie die man aus wichtigen internationalen Bewegungen wie der Alter-Globalisierungsbewegung, den Zapatistas und nicht zuletzt auch dem so oft beschworenen „schwarzen Block“ kennt. Die Anonymität bietet dabei gleichermaßen einen gewissen Schutz vor Repression (auch bei unibrennt und der aktiven Präsenz des so genannten Verfassungsschutzes ein wichtiges Thema), ermöglicht aber auch die Heterogenität der eigenen Bewegung widerzuspiegeln und sich nicht auf eine Person oder eine Gruppe von Personen reduzieren lassen zu müssen.
Unibrennt entwickelte hierbei eine eigene und kreative Umgangsweise die Heterogenität der Bewegung deutlich zu machen. Nicht nur wurde zu jeder Diskussionssendung und jedem Pressegespräch stets wer anderer entsandt, auch haben wir als AktivistInnen uns stets als „Eine/r von Vielen“ dargestellt, eine Bezeichnung die gleichermaßen die subjektive und autonome Position des Einzelnen benennt, die doch gleichzeitig Teil eines heterogenen Ganzen, einer „Mannigfaltigkeit“ einer Vielheit ist.
Unibrennt – eine Bewegung von Vielen
Doch was der Basisdemokratie a la unibrennt und der Verweigerung der Repräsentation gleichermaßen zu Grunde liegt, ist die wichtige Idee mediale, politische und letztlich auch alltägliche Logiken zu unterbrechen. Dass die Verweigerung von SprecherInnen nicht dazu führte nicht mehr zu Wort zu kommen, sondern ganz im Gegenteil zumindest vorübergehend einen der geschäftigsten Presseräume Österreichs hervorbrachte, das hat unibrennt gezeigt. Dass die Medien langfristig nicht mit dieser Verweigerung „StellvertreterInnen-Gesichter“ zu liefern umgehen können, dass wurde ebenfalls deutlich.
Doch hat unibrennt als erste Bewegung, die viele dieser radikaldemokratischen Strategien in einem großen Maßstab und öffentlichkeitswirksam eingesetzt hat, durchaus ein anderes Verständnis für diese Form der Politik erwirkt. Wurde unibrennt noch oft belächelt und kritisiert für diese Methoden, wurden ähnliche Methoden von Massenmedien in ihrer Berichterstattung von Ägypten oder Occupy als neue Formen der Politik, neue Formen des Widerstandes gepriesen. (mehr zu diesen neuen Formen des Widerstandes gibt es in meinem Rückblick zu 2 Jahre Occupy)
Die Verweigerung sich auf einzelne Forderungen aus dem reichhaltigen Forderungspotpourri im Sinne von Bedingungen für Verhandlungen zu einigen wie auch die Verweigerung dem Rektorat wie dem Ministerium eine verhandlungsberechtigte Delegation zu schicken haben bestimmt mit dazu beigetragen die mediale Unterstützung (sofern überhaupt vorhanden) zu verlieren und früher oder später (je nach Universität) geräumt zu werden. Doch das alles hätte auch mit anderen Strategien passieren können. Unibrennt hat jedoch einiges verändert (mehr dazu hier) und ganz sicher viel ermöglicht, inspiriert, beeinflusst und letztlich sicher auch die eine oder andere absurde Bildungspolitische Wahnphantasie verhindert.
Unibrennt ist immer vielfältig gewesen: bunt, dreckig, heterogen, spannend wie ermüdend, schlagkräftig wie blockiert. Unibrennt hat vieles getan: besetzt, gekocht, diskutiert, gefordert, gekämpft und getanzt. Unibrennt ist immer vieles gewesen, aber sicher ist es nicht einfach gescheitert.
Denn was es braucht ist ein anderes Verständnis von Scheitern, nicht ein Brandmarken und Kategorisieren als Niederlage, sondern vielmehr als produktiver Versuch einer Alternative, als Anlauf, dem ein neuer Anlauf folgen wird und muss. Ein Scheitern also, dass lehrreich ist, ein Scheitern dass neue Perspektiven eröffnet, ein Scheitern also, dass auch immer schon Teil eines Neustarts ist, jedoch keines kompletten Neustarts bei Null, sondern eines neuen Versuchs aufbauend auf den Erfahrungen und Ergebnissen des Vorangegangen. Vielleicht geht es also nicht nur ums durchsetzen, ums erobern ums „Gewinnen“, vielleicht geht es immer auch ein bisschen darum das eigene Scheitern als Chance und als Antrieb für einen neuen Versuch zu sehen, ganz wie es Beckett in seiner markanten Mischung unerreichter Leichtigkeit und immer präsenten Zynismus formulierte:
Ever tried. Ever failed. No matter.
Try again. Fail again. Fail better.
Inhalt
Prolog: 5 Jahre unibrennt — Kein Grund zu feiern
#unibrennt. wie Twitter nach Österreich kam und die Ideologie der Horizontalität
Die Folgen von unibrennt sind auch Erfolge
[…] « unibrennt wird 5 — Ein Rückblick in 4 Teilen und wir scheitern immer besser … » […]
[…] « und wir scheitern immer besser … […]
[…] und wir scheitern immer besser … unibrennt eine basisdemokratische Bewegung von Vielen #unibrennt. wie Twitter nach Österreich kam und die Ideologie der Horizontalität […]
[…] unibrennt keinesfalls einfach als gescheitert zu beurteilen ist, habe ich in einem vorangegangenen Blogpost bereits ausgeführt, doch was hatte unibrennt für Folgen? Auf die negativen Effekte, seien es […]
[…] Ich schliesse mit einer Geschichte in Christoph Hubatschke’s Blog: […]