Prolog: 5 Jahre unibrennt — Kein Grund zu feiern

Dieser Post ist Teil der Serie unibrennt wird 5 — Ein Rückblick in 4 Teilen

Hätte es die unibrennt-Bewegung nicht gegeben, hätte ich wahrscheinlich keine Fortsetzung von ‚und wir bewegen uns doch‘ geschrieben.“ 

So beginnt der Protestforscherhut brennt Robert Foltin seinen zweiten Teil der Geschichte Sozialer Bewegungen in Österreich, und verweist somit gleich zu Beginn auf den Stellenwert von unibrennt für die jüngere österreichische Widerstandskultur. Als am 20. Oktober 2009 die Akademie der Bildenden Künste und am 22. Oktober dann nach einer eher unspektakulären Demo das Audimax besetzt wurden konnte niemand, weder der Rektor — der zwar die Polizei gerufen hatte, die kurzfristig erfolglos versuchte das Audimax abzusperren, diese aber dann wieder abberufen hatte – noch die AktivistInnen, die sich von kleinen Erfolgen, wie eben jenem Abziehen der Polizei, dem großen Andrang in den ersten Tagen, der Euphorie nach der ersten durchgestandenen Nacht und vor allem nach dem langen Wochenende beflügeln ließen, erahnen, wie groß unibrennt werden wird. Doch nach über 60 Besetzungstagen alleine im Audimax, nach einem Hoch von 11 besetzten Universitäten in ganz Österreich und einer der größten Demonstrationen für Bildungspolitik, die es in Österreich je gegeben hat, besteht kein Zweifel, dass unibrennt eine der wichtigsten Studierendenbewegungen der letzten Jahrzehnte war. (Zur Chronologie von unibrennt)

5 Jahre unibrennt — kein Grund zu feiern

Dabei war unibrennt keinesfalls eine so überraschende und spontane Bewegung, wie gerne propagiert wird. Sie war vielmehr der Höhepunkt einer länger anhaltenden und auf einzelnen Instituten (unter vielen anderen z.B. der Publizistik und der Politikwissenschaften) besonders ausgeprägten Unzufriedenheit, die sich in den Jahren vor unibrennt österreichweit durch Demonstrationen wie auch Institutsvollversammlungen und Ähnlichem ausdrückte. Nur durch diese über Jahre von verschiedensten Seiten politisierte und teilweise auch bereits organisierte Stimmung erscheint es möglich, dass die Besetzung so langfristig, nachhaltig und groß wurde. Die Gründe für die allgemeine Unzufriedenheit waren vielfältig und sind leider großteils auch heute noch aktuell. Von der Unterfinanzierung der Universitäten im Allgemeinen und der Idee Studierende in Eingangsphasen auszusieben über die ständige Diskussion über Studiengebühren und die Entdemokratisierung der Universitäten auf allen Ebenen bis hin zu dem allgemeinen neoliberalen Umbau der Universitäten, samt ihrer Abhängigkeit von Drittmitteln und Werbeflächen, der Verschulung der Studien und der damit einhergehenden Einschränkung der Wahlfächer. Da der Umbau der Studienpläne auf das umstrittene Bologna-System (zu Zeit von unibrennt war eben jener Umbau in vollem Gang) dazu benutzt wurde, um kritische Studienzweige einerseits und die Freiheiten innerhalb der Studienpläne andererseits einzuschränken, würde man meinen, dass die politisch und institutionell Verantwortlichen mit Widerstand gerechnet hätten und trotzdem schienen sie im allgemeinen doch recht überrascht von der Intensität des Widerstandes.

Unibrennt hat während der Besetzung durch unzählige Arbeitsgruppen und Plena-Diskussionen auf viele dieser Missstände hingewiesen und stets versucht diese in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu setzen. Ein wichtiger Teil von unibrennt war daher auch die Vernetzung mit dem sogenannten Mittelbau an den Universitäten und vor allem mit den unfreiwillig prekarisierten externen LektorInnen und ForscherInnen, die sich in einer eigenen Plattform den „Squatting Teachers“ organisierten und intensiv und äußerst engagiert an unibrennt teilnahmen. Darüber hinaus trug besonders die Vernetzung, nicht nur zwischen den einzelnen besetzen österreichischen Universitäten in den Vernetzungsplenas, sondern auch vor allem die internationale Vernetzung mit besetzen Universitäten und Studierendenbewegungen in ganz Europa, zum Selbstbild einer vernetzten, offenen und transparenten Sozialen Bewegung bei. 

Es4301887230_d36349b46c_z gibt vieles was über unibrennt gesagt werden kann, und an vielen Stellen werden gerade zahlreiche Rückblicke, Überblicke und Eindrücke publiziert. Da ist von ersten euphorischen Momenten, dem Abflauen der Bewegung, dem Scheitern der Basisdemokratie und der medial ausgeschlachteten „Obdachlosenproblematik“ zu lesen. Viel zu oft verschwiegen wird dabei Sexismus im Audimax sowie weitere Reproduktionen gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und die Probleme anderer informeller Hierarchien. Verschwiegen werden aber auch gerne die Vorzüge einer basisdemokratischen Bewegung, der Sinn der Verweigerung von Repräsentation und die vielfältigen positiven Folgen von unibrennt.

Dem Motto des zum Jahrestag stattfindenden Kongresses „5 Jahre unibrennt – Kein Grund zu feiern“ folgend, soll es hier nicht um eine nostalgische Rückschau gehen. Denn wie Slavoj Zizek in seiner berühmten Rede vor Occupy WallStreet mahnte darf keinesfalls die Selbstgefälligkeit über Hand nehmen:

There is a danger. Don’t fall in love with yourselves. We have a nice time here. But remember, carnivals come cheap. What matters is the day after, when we will have to return to normal lives. Will there be any changes then? I don’t want you to remember these days, you know, like “Oh. we were young and it was beautiful.” Remember that our basic message is “We are allowed to think about alternatives.”

Dementsprechend soll der Rückblick auf unibrennt keine Anleitung zum Widerstand sein, schließlich muss jede Bewegung und jede Generation ihre eigenen Strategien und Mittel des Widerstands finden, auch wenn der historische Rückblick und das Lernen aus Fehlern wie auch das Adaptieren von Strategien für den eigenen Kampf immer schon ein zentraler Teil jeder neuen Sozialen Bewegung gewesen ist. Der Blick zurück soll vielmehr daran erinnern, dass unibrennt als Teil der aktuellen Sozialen Bewegungen das Tabu des neoliberalen Mantras der Alternativlosigkeit zumindest teilweise gebrochen hat und versucht hat zu zeigen dass eine andere Universität wie auch eine andere Gesellschaft sehr wohl möglich sind, doch nur wenn man stets aufs Neue dafür zu kämpfen bereit ist.

Inhalt

Einleitung

und wir scheitern immer besser … unibrennt eine basisdemokratische Bewegung von Vielen

#unibrennt. wie Twitter nach Österreich kam und die Ideologie der Horizontalität

Die Folgen von unibrennt sind auch Erfolge

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