Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.
Über Agambens fragwürdigen und etwas eigenartigen Kommentar zum Coronavirus von Ende Februar wurde hier in dieser Reihe schon einiges geschrieben, so gibt es auch Beiträge über die Antworten und Kritiken von Jean-Luc Nancy und Roberto Esposito. Agambens Kommentar, nicht zuletzt auf Grund seiner verschwörungstheoretisch anmutenden und gefährlichen Relativierungen der Gefahr von Covid-19 und dem problematischen Vergleich mit einer herkömmlichen Grippewelle, wurde an vielen Orten diskutiert und kritisiert. Die kritischen Stimmen und Kommentare scheinen dabei so enorm gewesen zu sein, dass Agamben sich genötigt sah eine Antwort, also einige, wie er es selbst nennt, „Klarstellungen“ zu geben. Agamben hat seine „Clarifications“ von Adam Kotsko ins Englische übersetzen lassen, und dieser hat den Text auf seinem Blog am 17. März 2020 veröffentlicht. (Mittlerweile wurde der Text auch auf Deutsch übersetzt und ist in der NZZ erschienen) Im Folgenden möchte ich nun diese Klarstellungen, die wenn auch weniger explizit dennoch die gleichen problematischen Punkte seines ersten Kommentars wiederholen, in aller Kürze zusammenfassen. Dennoch gilt es zumindest den einen oder anderen Gedanken dieser Klarstellungen ernst zu nehmen und weiter zu reflektieren.
In meiner Kritik des ersten Kommentars von Agamben, habe ich vor allem die Banalisierung und Verwässerung seines so wichtigen theoretischen Konzeptes des Ausnahmezustandes kritisiert. Diese Kritik, auch und besonders unter dem Aspekt den Roberto Esposito in seinem Text eingemahnt hat, nämlich dem Aufruf zur Bewahrung von Verhältnismäßigkeiten in der Beurteilung und dem Vergleich von ereignisgebundenen Veränderungen und langfristigen Tendenzen (auch wenn sich diese manchmal direkt überschneiden), diese Kritik also muss auch nach und trotz der Klarstellungen Agambens formuliert werden. Denn Agamben hat lediglich den direkten Vergleich zur herkömmlichen Grippe aufgegeben, erwähnt diesen auch nicht mehr (Fehler einzugestehen ist selten die Stärke bekannter und gefeierter Philosophen), bedient sich aber trotzdem ständig einer beschwichtigenden und die Ernsthaftigkeit runterspielenden Rhetorik, wenn er über den Coronavirus spricht. Ansonsten wiederholt und bestärkt Agamben im Wesentlichen was er in seinem ersten Kommentar schon ausgeführt hat.
Angst ist ein schlechter Ratgeber, Unwissen aber auch
Agamben beginnt seinen Text mit einer kleinen ‚Nebelgranate‘. Denn anstatt Fehleinschätzungen seines ersten Textes zu thematisieren, will er gleich zu Beginn von der wissenschaftlichen Einschätzung von Covid-19 weg und hin zu den ethisch-politischen Fragen, dem Feld seiner Expertise. Agamben geht es also anders als in seinem früheren Kommentar jetzt nicht mehr darum, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu beurteilen, sondern Lesen Sie mehr