In diesem kurzen Blogpost möchte ich auf zwei publizierte Texte von mir und einem Vortrag hinweisen, die alle drei rund um die Auseinandersetzung mit A.I. — Artificial Intelligence kreisen und die aufeinander aufbauen und nahezu als Trilogie gelesen werden könnten. Alle drei Texte wurden gemeinsam mit Oliver Schürer verfasst und sind Teil einer größeren Forschungsarbeit in der interdisziplinären Forschungsgruppe zu Humanoiden Robotern H.A.U.S., der ich angehöre.
A.I. — Artificial Intuition (GfK-Magazin)
In “Ein Detektiv, das Go und die Intuition” für das GfK-Magazin im Jänner 2017, welches hier online gelesen werden kann, haben wir, dem Schwerpunkt der Ausgabe folgend, nach dem Zusammenhang von A.I. und Nichtwissen gefragt. Den Entwicklungen von Deep Learning, besonders in Bezug zu Go-Computern (Google Deep Mind vor allem), folgend, reformuliert dieser Artikel A.I. als Artificial Intuition. Dabei ist es insbesondere das Nichtwissen,
das Nicht- und Noch-Nicht-Gewusste wie das Unwissbare das überhaupt die Bedingung der Möglichkeit von Wissen zu sein scheinen. Es ist daher gerade eine Artificial Intuition, die in aktuellen Entwicklungen von A.I. von zentraler Bedeutung zu sein.
Der ganze Artikel ist hier offen zugänglich.
A.I. — Alien Introspection (Versorgerin)
In “Automatisierte Entscheidungen”, einem Artikel für die Versorgerin #113, der auch online frei verfügbar ist, haben wir uns mit A.I. als neuen Akteuren in Entscheidungsprozessen beschäftigt, als Akteure die Entscheidungen nach einem völlig anderen Muster treffen, als Menschen. Ausgangspunkt bildet dabei die Kurzgeschichte “The Story of Your Life” von Ted Chiang, die 2016 als Arrival verfilmt wurde, und in der eine Linguistin versucht mit Aliens zu kommunizieren, die eine völlig andere Wahrnehmung von Welt und Zeit haben und daher auch eine völlig andere Sprache entwickelt haben. A.I. Systeme besonders Systeme die sich selbst trainieren und verkomplizieren (Deep Learning) haben ebenfalls eine völlig andere Wahrnehmung von Raum, Zeit und allgemeiner all dem was als Daten einverleibt werden kann.
Wir argumentieren dabei, dass konfrontiert mit A.I. auch wir einer alienesken “Intelligenz” gegenüberstehen, die anders funktioniert und dadurch auch unser Selbstbild ändern kann. Wie früher mechanische Uhren als Modelle des Gehirns herbeigezogen wurden, so ist es heute Deep Learning das zunehmend hegemonial als das Bild von Denkprozessen herangezogen wird. Diesen Prozess bezeichnen wir als Alien Introspection. Dabei bleibt zu fragen, inwiefern die Kommunikation mit A.I. auch das Potential hat, vordefinierte Bilder des Denkens zu sprengen, oder ob es doch nur ein großes Schauspiel ist, wie Jean Baudrillard pointiert formulierte:
Denn was diese Maschinen bieten, ist zuvörderst das Schauspiel des Denkens, und im Umgang mit ihnen fröhnen die Menschen lieber dem Schauspiel des Denkens als dem Denken selber. (Baudrillard, Videowelt und fraktales Subjekt: 127)
Der ganze Artikel ist hier offen zugänglich.
A.I. — Artificial Ignorance (Konferenz — Linz)
In “A.I. ist Artificial Ignorance oder A. I. ohne Ariadnefaden im Labyrinth”, ein Vortrag gehalten im Oktober 2017 in der Landesbibliothek Linz im Rahmen eines Symposiums rund um das Thema des Nichtwissens, führen wir viele der Gedanken, wie wir sie in den beiden Artikeln entworfen haben weiter, verkomplizieren die Fragestellungen und gehen von dem Begriff der Artificial Intuition über die Alien Introspection zu dem Begriff der Artificial Ignorance über, die wir als eine der zentralen notwendigen aber auch höchst problematischen Vorrausetzung aktueller A.I. Systeme sehen. In diesem Vortrag haben wir uns mit der Rolle von Nichtwissen als Grundlage von Wissensgewinn beschäftigt, diskutieren Gefahren und politische problematische Entwicklungen im Einsatz von A.I. und illustrieren einige der Fragen die aufgeworfen werden, mit zwei künstlerischen Arbeiten, die von meinem Kollegen in seinen Seminaren auf der Architekturtheorie (TU-Wien) betreut wurden, die sich der Frage von Wissen und Nichtwissen am Beispiel des Labyrinths beschäftigen. (mehr zu den arbeiten kann man hier nachlesen).
Den Abstract zum Vortrag sowie mehr Informationen zu dem Symposium gibt es hier.
Auszug aus dem Abstract:
Die Frage nach dem Nichtwissen geht zumindest in zwei Richtungen: Wissenslücken, die wie fehlende Puzzlesteine im noch nicht vollständigen Bild eines Wissensbestandes aus dem bereits Gewussten heraus erschlossen werden können. Dann aber auch Nichtwissen als das Ungeheuerliche der gesicherten Annahme über etwas, von dem man nicht weiß, dass man es nicht weiß.
Wie Gilles Deleuze in seinem Werk Differenz und Wiederholung im Vorwort ausführt, sind Philosophie, Denken und Wissenserwerb eine Form von Science Fiction, da sie immer schon an der Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen agieren. Doch nicht um diese Grenze aufzulösen sondern vielmehr um genau an dieser Grenze selbst zu denken. Das Nichtwissen ist für Deleuze eine Bedingung der Möglichkeit von Denken und Wissensproduktion:
„Wie lässt sich anders schreiben als darüber, worüber man nicht oder nur ungenügend Bescheid weiß? … Man schreibt nur auf dem vordersten Posten seines eigenen Wissens, auf jener äußersten Spitze, die unser Wissen von unserem Nichtwissen trennt und das eine ins andere übergehen lässt. … Behebt man die Unwissenheit, so verschiebt man das Schreiben auf morgen oder macht es vielmehr unmöglich.“
Im französischen Originaltext spricht Deleuze, wenn er von Nichtwissen spricht von „ignorance“, denn wie im Englischen bezeichnet ignorance gleichermaßen das Unwissen wie auch das, was im Deutschen unter Ignoranz verstanden wird. Zu schreiben, zu denken, Wissen zu produzieren geht also nicht nur mit Nichtwissen sondern auch mit der Ignoranz, dem Auslassen, dem Nichtwissen-Wollen, dem Nichtwissen-Können, dem Nichtwissen-Wissen einher.