Wie auch schon bei den früheren Test.Labs haben wir uns diesmal wieder einen großen Begriff vorgenommen. Nach dem “Anthropozän/Kapitalozän/Chuthuluzän” und dem “Habitat” widmen wir uns diesmal dem maßlos überverwendeten und gleichzeitig völlig schwammigen Begriff der “Intelligenz”
Wieder bringen wir Künstler*innen, Expert*innen unterschiedlicher Felder (Philosophie, Physik, künstlerische Forschung, Architektur, AI, Robotik, Neurologie, uvm.) zusammen, in verschiedenen Formaten und Diskussionen um sich diesem großen Feld der Intelligenz in 7 Kapiteln zu nähern. Der Livestream aus dem WUK in Wien fand am Freitag den 16.04.2021 statt. Mehr Infos zu den Teilnehmer*innen. Der Stream kann auf Youtube nachgesehen werden (unten eingebettet), in Youtube kann auch der Live-Chat in dem es viele spannende Diskussionen gab, mitgelesen werden.
Einige Überlegungen zur Intelligenz
Nach mehr als 100 Jahren IQ-Test Geschichte und den damit einhergehenden Versuchen nicht nur Intelligenz zu definieren sondern sie auch festzusetzen und messbar zu machen, bleibt immer noch unklar was Intelligenz wirklich bedeutet, was Intelligenz ausmacht und was alles zur Intelligenz zählt. Ist Intelligenz überhaupt messbar oder eindeutig feststellbar? Hat alles Lebendige und vielleicht auch Nicht-Lebendige Intelligenz und ist es nur eine Frage des Grades wieviel Intelligenz? Und welche Parameter zeugen von Intelligenz? Wie Blade Runner mit dem Voight-Kampff-Test schon zur Diskussion stellte, muss gefragt werden ob Intelligenz nur eine rein logisch-analytische Leistung sei oder nicht viel mehr emotionale, emphatische, soziale und affektive Aspekte ähnlich oder noch viel wichtigere Teile von Intelligenz ausmachen. Gerade im Angesicht neuer Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz wird das emotionale, soziale und letztlich kreative Vermögen des Menschen wieder verstärkt hervorgehoben, weil es so die Hoffnung, zumindest jetzt noch, den Menschen als der Maschine überlegen erscheinen lässt.
Doch ist zu fragen, ob hier die Problematik nicht eine von Grund auf falsch gestellte ist, ob keine Antworten auf die Frage was Intelligenz eigentlich sei gefunden werden können, weil die Frage schlicht schon falsch – unintelligent – gestellt ist.
René Descartes hat mit seinem bekannten cogito ergo sum, also der Feststellung: „Ich denke also bin ich“, das Bild von Intelligenz nachhaltig beeinflusst. Dem Ausspruch zu Grunde liegt die Überlegung, was übrig bleiben würde, wenn alles, Sinneseindrücke und Wahrnehmungen, Erinnerungen und auch alle anderen Wesen bloße Einbildung oder Täuschung wären. Übrig bleibe die Fähigkeit zu zweifeln an der Welt und den eigenen Wahrnehmungen, doch genau dieser Zweifel sei dafür ein unkritisierbares Fundament. Ich zweifle also bin ich. Zentrales Element solch einer Intelligenzfundierung ist dabei bei Descartes und der darauffolgenden westlichen Denkgeschichte der Körper-Geist Dualismus, die Trennung von Materiellem und rein Geistigem.
In den Versuchen eine künstliche Intelligenz zu kreieren wird dieser Körper-Geist Dualismus nur allzu gerne reproduziert. Denn zeigen die zumeist missglückten Versuche eine Intelligenz ganz ohne ihre Verkörperung und ihre Situierung zu erzeugen nicht genau die Problematik des descartschen Dualismus auf? Gegentendenzen wie embodied cognition sind hierauf eine Antwort, keine Intelligenz ohne einen Körper, oder genauer Intelligenz kann nur durch und mit einem Körper entstehen. Es gilt daher immer die Situierung und materiellen Aspekte von AI mitzudenken, Kabel, Netzwerke, Programmierer*innen, Serverfarmen und Unmengen an Energie z.B.
Technologische Entwicklungen haben aber auch immer wieder dazu geführt sich neu zu fragen was Intelligenz ist, haben doch technologische Kreationen wie das Uhrwerk oder neuronale Netzwerke auch immer das jeweilige Bild des Gehirns und damit auch das Bild vom Denken mitbestimmt. Konfrontiert mit heutigen humanoiden Robotern und künstlichen Intelligenzen, die sich im Handy, dem Chatbot beim Mobilfunkanbieter, im Schachcomputer aber auch im Kühlschrank, der Waschmaschine und dem Lichtschalter befinden, lohnt es sich die Frage nach der Intelligenz, nicht nachdem was sie ist, sondern wo sie ist und zwischen wem sie entsteht zu reflektieren.
Intelligenz ist dabei immer in den Relationen zu finden, im Kollektiven im System zwischen Akteur*innen (immer schon zwischen menschlichen und nicht-menschlichen). Ein solches relationales Verständnis von Intelligenz, verweist auch auf die politische Brisanz vermeintlicher künstlicher Intelligenzen. Denn deren Analysen und Entscheidungen sind nicht nur nicht besser sondern vor allem genauso wenig neutral und objektiv wie sonstige Entscheidungen von Intelligenzen. Rassistische, sexistische, klassistische und sonstige Diskriminierungen künstlicher Intelligenzen können nicht einfach heraus-programmiert werden, denn sie finden sich schon in den zu verarbeitetenden Daten und Realitäten. Daher ist es wichtig zu fragen wie eine Künstliche Intelligenz denkt, will heißen mit welchen Daten und welchen Algorithmen, kurz wie sie situiert und verkörpert ist, mit was und wem sie denkt.
Wie und wo kann AI daher sich an diese kollektiven und vor allem verkörperten materiellen Prozesse von Intelligenz einbringen, oder bleibt AI, wie Jean Baudrillard schon vor 30 Jahren formulierte, bloß ein „Schauspiel des Denkens“ dem wir deswegen so gerne zuschauen um ja nicht selbst und gemeinsam denken zu müssen.
Im angeblichen Zeitalter von Fake News und Verschwörungstheorien erscheint die Frage der Intelligenz abermals besonders virulent zu werden. Doch gerade hier stellt sich die Frage ob Intelligenz heißt, etwas zu wissen, oder vielmehr noch, glauben etwas genauer, besser oder endgültig durchschaut zu haben und zu wissen. Hier wird nicht in wissenschaftlicher Art und Weise hinterfragt, diskutiert und gelernt. Hier zählt oftmals die erstbeste, einfachste oder auch einfach nur die lauteste Erklärung. Intelligenz, verstanden als Fähigkeit sich zu orientieren, auszuwählen und zu entscheiden, heißt nicht die endgültige Wahrheit zu finden, sondern um die eigenen Limitationen des Wissens zu wissen.
Kurz: Dummheit beginnt bei der (vermeintlichen) Gewissheit. Intelligenz heißt eben auch mit der Unwissenheit, dem Nicht-Wissen, ja dem Nicht-Wissen-Können, den Limitationen der eigenen Intelligenz, umgehen zu können. Intelligenz heißt die Leerstellen des Wissens zu akzeptieren und die Notwendigkeit zu erkennen, mit anderen (menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen) in Kontakt und Austausch zu treten um gemeinsam mehr zu wissen.
Eine mögliche, vorläufige These kann daher lauten: Es kann keine solipsistische Intelligenz geben, Intelligenz ist immer Prozess des Austausches, Ergebnis von Erfahrung und Verhandlung. Intelligenz in abgeschnittenen einzelnen Individuen zu suchen kann nicht funktionieren, denn Intelligenz ist immer eine Relation, entsteht nur im Kollektiven, ist keine Einzelleistung sondern ein kollektiver Prozess. Ich bin nicht weil ich denke, sondern im Denken und Zweifeln werden wir zum Wir. Ich bin immer schon viele. Intelligenz gibt es nur im dazwischen.
Man sollte zwischen menschlicher Intelligenz, HI, Maschinen Intelligenz MI und Biologischer Intelligenz BI unterscheiden. Die HI kann ein Ergebnis sozialer Systeme sei, die MI auf Neuronale Netzwerke beruhen und die BI arbeit sicherlich im Bereich der Quantenmechanik. Ich denke man sollte sich auch den Nicht-Wissen und Nicht-Tun widmen. Es wird doch auch im Tao und bei Konfuzius diskutiert. Kann das Wu Wei, das sich heraushalten vernüftig sein ? Hat sich Zaho Tingyang dazu geäusert ?