Die Folgen von unibrennt sind auch Erfolge

Dieser Post ist der letzte Teil der Serie unibrennt wird 5 — Ein Rückblick in 4 Teilen

Dass unibrennt keinesfalls einfach als gescheitert zu beurteilen ist, habe ich in einem vorangegangenen Blogpost bereits4203550910_318521d853_z ausgeführt, doch was hatte unibrennt für Folgen? Auf die negativen Effekte, seien es zusätzliche Kosten oder sonstige vorgebrachte Vorwürfe an unibrennt wird allerorts gerne eingegangen. Genauso werden die zahllosen Verschlechterungen auf den Hochschulen als Indiz eines Scheiterns von unibrennt wahrgenommen und Verschlechterungen gab es tatsächlich zu genüge: von der nahezu restlosen Durchsetzung des Bologna-Systems und den damit einhergehenden sozialen Aussiebungen, der Verschulung der Uni, dem Einschränken der freien Wahlfächer bis hin zu Kürzung der Familienbeihilfen, Zerstörung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen durch Streichung aller Mittel mit dem gleichzeitigen Aushungern der Universitäten, der immer intensiver werdenden Prekarisierung junger WissenschaftlerInnen und Lehrenden und vieles mehr.

Ich möchte mich in diesem letzten Blogpost meiner kleinen unibrennt Serie jedoch mit den positiven Folgen, also den Erfolgen von unibrennt beschäftigen, von denen es mehr gab als allgemein angenommen wird, und von denen ich hier nur einige kurze Aspekte darstellen werde. Denn unibrennt hat wesentlich mehr bewirkt als nur noch größere Verschlechterungen zu verhindern, seien es direkte oder auch längerfristig indirekte Folgen.

Demokratisierung

Ein entscheidender Teil der Forderungen von unibrennt betraf die (Re)-Demokratisierung der Universität und die Stärkung der studentischen4069257193_b9287e1519_z Mitbestimmung. Dies ist auf einigen Instituten ganz direkt gelungen, indem im Zuge von unibrennt neue Studienpläne verhandelt wurden und zwar gemeinsam mit den Studierenden in Vollversammlungen, das ist jedoch langfristig auch auf größerer Ebene zumindest einen Schritt nach vorn gegangen. So erfuhr die ÖH – und darüber kann man als unibrennt Aktivist erfreut sein oder auch nicht – eine allgemeine Stärkung und neuen Aufwind, weil sie von Medien und Politik zumindest wieder stärker als Akteur wahrgenommen wurde. Dies gipfelte nun in der seit langem geforderten Rückänderung des ÖH-Wahlgesetzes, das von Schwarz-Blau zu ihren Gunsten verändert wurde, und ab nächstem Jahr wieder zu einer Direktwahl verändert wurde.
Trotzdem bleibt auch hier noch der Kampf gegen die Vorherrschaft der RektorInnen und für die intensivere Mitbestimmung bei Unibelangen nicht nur von Studierenden sondern auch von externen Lehrenden und nicht zuletzt auch vom Mittelbau.

Kritische Universität

Eine ganz direkte Folge der unibrennt Proteste ist z.B. das Projekt der kritischen Uni in Innsbruck, also einiger Lehrveranstaltungen, die seit 2009 regelmäßig von der Uni finanziert werden, jedoch von den Studierenden organisiert werden. Diese Lehrveranstaltungen dienen der kritischen Reflexion und bilden damit ein sonst oft wegrationalisiertes Gegengewicht zum restlichen Studienplan. Das Besondere daran ist, dass im Gegensatz zu autonom organisierten Tutorien und Lesekreisen, diese Lehrveranstaltungen auch ECTS-Punkte bringen, in Zeiten der engen Studienpläne nicht ganz unwichtig, auch wenn die Frage der Verwertung natürlich nebensächlich sein muss. Ähnliche Lehrveranstaltungen finden sich auch manchmal auf einzelnen Instituten, jedoch ist vor allem das Ausmaß und die Nachhaltigkeit des Projekts kritische Uni in Innsbruck beeindruckend.

Bildende

An5020409368_3185c8788f_z der Akademie der Bildenden Künste, dort wo der Protest und damit letztlich auch unibrennt begonnen hat, haben die Proteste, die natürlich keinesfalls auf unibrennt reduziert werden können und auf vielfältige Weise mit anderen Kämpfen verbunden sind, ebenfalls Erfolge erzielt. Einerseits ist die Bologna-System-Implementierung, die das Fass zum Überlaufen brachte und Studierende wie Lehrende zur Besetzung der Aula bewegte, also die Idee einen “Kunst-Bachelor” einzuführen verhindert worden. Auch gibt es bis heute eine “freie Klasse” und die Proteste erwirkten die erste studentische Senatsvorsitzende. Vor allem wurde durch die Proteste auch die Frage nach der politischen Positionierung der Bildenden wieder zu einem Thema, sowohl innerhalb der Uni, wo mittlerweile immerhin die erste Rektorin bestellt wurde, als auch gesamtgesellschaftlich, man denke an die Refugee-Proteste.

Vinzi-Rast

Oft wird in Rückblicken auf unibrennt4050807761_a561b808df_z von der „Obdachlosenproblematik“ gesprochen, doch bei allen Problemen und Herausforderungen die die Anwesenheit von Obdachlosen im Audimax mit sich brachte, muss doch erinnert werden, dass es eine bewusste Entscheidung war, die Türen des Hörsaals mitten im Winter eben nicht zu verschließen, uns eben nicht nur auf unipolitische Fragen zu konzentrieren und die Augen nicht vor den Problemen dieser Stadt, die Angehörige von „Drittstaaten“ nicht in die üblichen Unterkünfte gelassen hat, zu verschließen. Unibrennt hat damit seine mediale Öffentlichkeit genützt um auf diesen katastrophalen Missstand hinzuweisen und dabei eng mit verschiedensten NGOs und Institutionen, die diesen Kampf schon länger und professioneller führten, zusammengearbeitet. Auch wenn genau einen Tag vor der Eröffnung eines Quartier für Drittstaatenangehörige geräumt wurde, blieben neue Quartiere und es entstand das wunderschöne Projekt der Vinzi-Rast, ein Gasthaus und vor allem ein Wohnhaus, in dem Studierende und ehemalige Obdachlose gemeinsam wohnen.

Politisierung

Eine der wichtigsten Folgen von unibrennt war jedoch definitiv die Politisierung einer ganzen Generation an Studierenden. Viele sind im Audimax zum ersten Mal mit kritischer Politik, alternativen Lebensformen, politisch organisierten Menschen, politischen Begriffen, politischen Diskussionen und zivilem Ungehorsam als politischer Artikulation sowie natürlich mit Hochschulpolitik im speziellen in Berührung gekommen. Das hatte auf viele einen großen Einfluss und damit nachhaltig gewirkt. So wurden viele Demos und nachfolgende Bewegungen durch Netzwerke die bei4051522232_a5235951fc_z unibrennt geknüpft wurden größer und erreichten damit auch mehr Leute. Für die politische Szene in Österreich ist unibrennt damit durchaus sehr zentral und einflussreich, was ich am Beginn dieser Serie mit dem Verweis auf Robert Foltins Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich schon angedeutet habe. Die Befeuerung neuer Bewegungen, die politische Bewusstseinswerdung vieler AktivistInnen, die Gründung von WienTV, das alles hat die Szene in Österreich nachhaltig verändert.

Nicht die Statistik zählt

Alle, die die Vorgänge um unibrennt bloß nach den Begriffen der Makropolitik, also den bundesweiten Zahlen, Statistiken, Kosten und konkreten Gesetzesveränderungen beurteilen, haben von dem Ereignis unibrennt nichts begriffen, weil ihnen irgend etwas entging, das nicht einzuordnen war. So könnten wir frei nach Deleuze und Guattari schreiben. Zu fragen was unibrennt nun konkret gebracht hat zielt damit vorbei an dem was unibrennt war und was uns als AktivistInnen damals wichtig war. Klar ging es auch um konkrete Veränderungen und klar wollten wir vieles erreichen, es ging aber auch darum uns selbst zu artikulieren, unsere politische Stimme zu entdecken und dieser Gehör zu verschaffen.

Alle, die die Vorgänge [um den Mai 68] nach Begriffen der Makropolitik beurteilen, haben von dem Ereignis nichts begriffen, weil ihnen irgend etwas entging, das nicht einzuordnen war. […] Eine molekulare Strömung hat sich abgespalten, zunächst war sie winzig, dann wurde sie immer größer, ohne deshalb besser eingeordnet werden zu können… Allerdings ist auch das Gegenteil richtig: molekulare Fluchtbewegungen wären nichts, wenn sie nicht über molare Organisation zurückkehren würden und ihre Segmente, ihre binären Aufteilungen in Geschlechter, Klassen und Parteien nicht wieder herstellen würden. (Deleuze/Guattari 1992, 295). 

Diesem Zitat folgend geht es eben auch darum auf die Mikroeben zu schauen, und nicht nur auf die bundesweite Hochschulpolitik, und hier zeigt sich doch, dass auf einzelnen Instituten große Veränderungen im Umgangston, im Studienplan, in der Wahlfreiheit und in anderen Bereichen stattgefunden haben. Doch auch auf der Makroebene, wie dargestellt lassen sich Erfolge wahrnehmen, oft dauert es eben nur etwas länger als die mediale Öffentlichkeit bereit ist zu warten.
Wie bei 1968 geht es aber auch bei unibrennt um die Veränderung einer Kultur, in einem traditionell eher trägen Land, hat unibrennt — natürlich nicht alleine — Schwung und neue Perspektiven in die politische Widerstandskultur gebracht und dieser Erfolg ist eben nicht statistisch zu berechnen. Niemand kann unibrennt in seiner Ganzheit beurteilen, immer entgeht uns „irgend etwas“.

One World One Struggle

Was wir bei all den Rückblicken, der notwendigen Kritik und der auch erlaubten Nostalgie nicht vergessen dürfen ist, dass der Kampf gegen viele dieser Entwicklungen an den Universitäten interntional ist, denn auch der Umbau der Hochschulen zu Unternehmen, die Austeritätspolitik die eben auch gegen Unis gerichtet ist und die damit einhergehende Entdemokratisierung sind international. Was wir bei unibrennt erfahren haben, durch Solidaritätsbekundungen und den Kontakten zu Unibesetzungsbewegungen weltweit, gilt auch heute noch, wir sind nicht alleine in diesem Kampf.

Inhalt

Einleitung

Prolog: 5 Jahre unibrennt — Kein Grund zu feiern

und wir scheitern immer besser … unibrennt eine basisdemokratische Bewegung von Vielen

#unibrennt. wie Twitter nach Österreich kam und die Ideologie der Horizontalität

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[…] des Radiomagazins der ÖH Salzburg erkennbar wird. Am Besten hat Christoph Hubatschke in seinem Blog “Die Bresche” einen Rückblick und Ergebnisse zusammengestellt. Er war der einzige Philosophie-Student in […]

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