Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.
Im Rahmen dieser Serie wurden mittlerweile die unterschiedlichsten Positionen zum Coronavirus von unterschiedlichen Denker*innen kommentiert, und bei all diesen unterschiedlichen Reaktionen interessierte mich immer nicht nur die inhaltlichen Argumente, sondern darüber hinaus interessierte mich stets auch die Form der Reaktion. Wenn es um die Kommentierung oder Analyse eines Ereignisses geht, das sich gerade erst entwickelt, wo nahezu täglich neue Erkenntnisse, Veränderungen, Intensitäten und Entscheidungen auftauchen, ist es unmöglich eine abgeschlossene Analyse zu liefern. Der Kommentar von heute mag morgen schon wieder outdated sein, eine Einschätzung, die gestern noch argumentiert werden konnte mag heute fatal wirken. Diese Unmöglichkeit, so wurde auch in der Serie gezeigt, hält einzelne jedoch keinesfalls davon ab, große und oftmals höchst problematische Urteile abzugeben und trotz der Unmöglichkeit, trotz der ständigen Dynamik der Situation, eine fertige Analyse zu probieren. Diese Versuche scheitern oftmals, wenn auch nicht immer so grandios und vielbeachtet wie bei Agamben. Häufiger jedoch haben wir es mit ersten Einschätzungen und Kommentaren zu tun, die zumeist versuchen entweder bestimmte Begriffe als Verständnis und Kritikhilfe vorzuschlagen, oder bestimmte Fragen als Problematiken in den Diskurs einzubringen. Diese philosophischen Interventionen nehmen dabei zumeist die Form eines Zeitungskommentars oder auch eines knappen Essays an, und ab und zu sind es direkte Repliken auf andere Texte, geschrieben in der Form eines offenen Briefs.
In den literarischen Beschäftigungen, die es bis jetzt, sei es über Social Media oder über z.B. ein Projekt des Grazer Literaturhauses, zum Coronavirus gibt, erfreut sich hingegen zuvorderst eine ganz andere Textform großer Beliebtheit, nämlich die Form der Tagebucheinträge. Tagebucheinträge als literarische Form in der Beschäftigung mit großen Krisen aber auch in Situationen individueller Isolation (Gefängnisaufenthalten z.B.) haben eine lange und spannende Geschichte. In der Philosophie finden sich solche Textformen seltener und heutzutage immer weniger.
Das Ringen um die geeignete philosophische Textform — Tagebuch-Aphorismen
Aus diesem Grund, aber auch aus vielen anderen, ist deswegen die erste publizierte Reaktion (veröffentlicht am 18. März am Verso Verlagsblog) des italienischen Philosophen und Aktivisten Franco „Bifo“ Berardi so außergewöhnlich. Er wählt nämlich eine tagebuchähnliche Form, mit Beiträgen beginnend am 21. Februar (seiner Rückkehr von einer Reise in seine Heimatstadt Bologna) bis zum 13. März. Der erste Eintrag:
21. Februar: At Bologna airport, back from Lisbon, an unexpected scene: white overalls and yellow helmet, two people approach the incoming passengers and point a white pistol at their forehead to take the body temperature. A premonition: are we going to pass through to a new threshold in the process of techno-psychotic mutation?
Die Vorbemerkungen zur Form der Reaktion erschienen mir deshalb sinnvoll, weil Bifos Text anders als andere, die bisher besprochen wurden, kaum eine argumentative Stringenz aufweist und auch nicht unbedingt versucht bestimmte Argumente zu machen, sondern vielmehr eine Sammlung einzelner Gedanken und Ideen darstellt, aufgeschrieben genau in jenen Wochen, in denen sich in Norditalien die Situation vom Auftreten erster einzelner Fälle in eine enorm tödliche Epidemie intensivierte. Bifos Überlegungen erheben schon aufgrund der Form keinen allgemeinen Erklärungsanspruch, sein Text will keine Lösung der großen Fragen sein, sondern dokumentiert vielmehr das Ringen um Verständnis, das Gewahr-Werden der Entwicklung der Situation und die Suche nach den Themen und Fragen dieser ganz speziellen Zeit. Dabei wechseln sich ständig allgemeine Beobachtungen mit persönlichen Anekdoten und großen Thesen ab. Manche der Thesen verwirft Bifo wieder, manchmal widerspricht er seinen Überlegungen von vor wenigen Tagen und manchmal baut er auf den Gedanken der vorherigen Tage auf. Die Analysen bleiben fragmentarisch, das (vorläufige) Ende der publizierten Einträge scheint genauso überraschend und unangekündigt zu kommen wie der Beginn und der einzige Zusammenhang dieser ganzen so unterschiedlichen aphoristischen Bemerkungen ist Bifo selbst.
Eine kohärente Zusammenfassung bzw. Kommentierung von Bifos fragmentarischen Aphorismen zu machen, würde wohl gegen die eigentliche Intention Bifos gehen. Daher werde ich im Folgenden einige der Einträge herausgreifen, zitieren und ein paar Gedanken dazu formulieren.
Das unbekannte Virus
Die ersten Einträge des Tagebuchs sind sehr stark von dem Versuch beherrscht, das was passiert zunächst und überhaupt zu benennen. Zuvorderst ist da das Virus, der eigentlich Hauptakteur, der die momentane Situation verursacht zu haben scheint. Das Virus ist dabei, besonders zu Beginn der Einträge, vor allem ein großer Unbekannter. Auch jetzt noch, wo seit Wochen immer mehr Länder tiefe Einschnitte in die persönlichen Freiheiten und die individuelle Mobilität aller verordnet haben, also unser Leben enormst von diesem Virus beeinflusst und bestimmt zu sein scheint, selbst jetzt noch sind – zum Glück – die meisten dem Virus nicht direkt und unmittelbar begegnet. Das Virus ist vor allem ein „Info-Virus“ wie Bifo es nennt, also weit mehr als der biologische Virus ist es ein Akteur der sich medial und sozial verbreitet und alle Interaktionen verändert, ohne physisch dabei zu sein. Ähnliches beschrieb auch schon Nancy in seinem ersten Text über Covid19, und so schreibt Bifo über dieses bekannte Unbekannte:
28. Februar: The collapse of the planetary body is the consequence of a biological virus that provokes a (not so) lethal affection, but mainly it is the effect of a viral agent whose action is unknown: neither the immune system nor medical science know anything about the agent. The unknown stops the machine, the biological agent turns into an info-virus, and the info-virus unchains a psychotic reaction. A semiotic virus in the psychosphere has blocked the abstract functioning of the system, by removing bodies.
Auch bei Bifo, ähnlich aber in ganz anderem Ton als bei Agamben, finden sich zunächst noch Zweifel und Skepsis bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (später verworfene Zweifel) gegen einen „(not so) lethal“ Virus. Aber das Virus muss nicht jede*n anstecken, so Bifo, um jeden und jede zu affizieren, um unser Leben zu bestimmen und unser politisches und soziales Handeln zu dominieren. Schon bevor er unseren Körper als biologischer Virus erreicht, beherrscht das Virus uns, paralysiert uns ganz wortwörtlich.
2. März: The point is not how lethal the virus is. The effect of the virus is not linked to the number of people it kills. The effect of the virus lies in the relational paralysis it is spreading.
Und immer wieder ist es vor allem das Nicht-Wissen über das Virus und seine Entwicklung, über die Zukunft, über die Länge der Maßnahmen, das Ungewisse der Zukunft, das Bifo, der selbst ein ganzes Buch (Futurability 2019) dem Drang nach dem Denken und Vorhersagen der Zukunft gewidmet hat, beschreibt. Wie sich auf etwas einstellen, von dem man so wenig weiß:
2. März: How long will this psychotic fixation that we call coronavirus last? Experts say that springtime will kill the virus, but as far as we know it may boost it. We know almost nothing about the virus, how can we know what temperature it prefers?
Wie atmen in dieser beengenden Situation?
Wie bereits angemerkt finden sich auch einige persönliche Bemerkungen in den Einträgen, was eine durchaus interessante Abwechslung zu den meisten anderen Philosoph*innen darstellt. Viele der Texte über Covid19 sind aus einer unklaren Position geschrieben, zu wenig situiert. Mit Außnahme von Catharine Malibou wurde in kaum einem Text bisher die eigene Betroffenheit (z.B. als Risikogruppe, schließlich sind die meisten bisher verhandelten Denker*innen von fortgeschrittenem Alter) oder der eigene Umgang mit Isolierung beschrieben. Diese Position muss auch nicht immer relevant sein, kann es aber. Bifo geht hier einen anderen Weg und spricht genau solche Fragen ebenfalls direkt an:
8. März: Today I have been obliged to cancel a dinner planned with my brother and sisters. Old people like us are in danger. In Italy the average age of people who die for the virus is 81. I understand that I am living in a sort of double bind: if I do not cancel the dinner I might be the bearer of the physical virus that may kill [my] brother, who suffers from diabetes. If I cancel the dinner I become a spreader of the psycho-virus, the virus of fear and of isolation. For the first time I ask myself: what if this nightmare lasts long?
Bifo selbst leidet unter Asthma ist daher also in doppeltem Sinne Teil der Riskogruppe. Dennoch sind seine persönlichen Anekdoten nicht alle dramatisch, sondern auch von alltäglichen Sorgen durchzogen, wie er nicht ganz ohne Ironie beschreibt:
12. März: All of Italy is quarantined. The virus is running faster than the measures of containment. I put the sanitary mask on, take the bike to buy newspapers. Kiosks are open, and pharmacies, and food markets. The tobacconist is open. I buy rolling papers to smoke hash during the night. But hash is running low in my small box. Soon I’ll run out of dope, and the young pushers have disappeared from the streets. Trump has used the expression: “foreign virus”. All viruses are foreign, but the president has not read William Burroughs.
Covid19 als Virus der die Lunge angreift ist dabei von besonderem Interesse, denn eines der aktuellen Bücher von Bifo beschäftigt sich genau mit der Frage des Atmens (Breathing 2019). Bifo geht in diesem Buch der Frage nach, wieso die Metapher des ‚Nicht-Mehr-Atmen-Könnens‘, des Erdrückt-Werdens in dieser Phase des Kapitalismus so dominant zu sein scheint, und was aktuelle soziale Bewegungen damit zu tun haben. Die Frage des Nicht-Mehr-Atmen-Könnens ist heute – so scheint es besonders relevant. In einem Vortrag in 2018 an der Goldsmiths University in London hat er dabei einige der Thesen seines Buches über das Atmen Können zusammengefasst, ein Vortrag der durchaus auch an manchen Stellen kritisch gesehen werden muss, trotzdem in der jetzigen Situation interessant scheint:
Eine Krise des semiotischen Kapitalismus?
Wie in dem eben erwähnten Vortrag dargestellt wird, interessiert sich Bifo schon lange für die aktuelle Ausprägung des „semiotischen Kapitalismus“ wie er es nennt, also eines Kapitalismus der nicht mehr direkt auf Produktion aufzubauen scheint. In früheren Werken, z.B. The Soul at Work (2009) oder auch Der Aufstand (2015), beschreibt er dieses Kapitalismusverständnis sehr ausführlich. Auch in diesen Aphorismen findet sich dazu ein längerer Absatz:
3. März: Capitalism is an axiomatics: it is based on an indemonstrable hypothesis: that boundless growth is possible and necessary. This presupposition makes accumulation possible, and value extraction mandatory. All the logical and economical concatenations are consistent with that axiom, and nothing can be conceived outside of it. No political way out from the capital axiomatics, no language can say what is outside language, and there is no possibility of destroying the system, as every linguistic process is deploying inside an axiomatics that makes extra-systemic enunciations unworkable.
Wie also in so einer Phase des Kapitalismus auf diese Krise, diese “kommende Rezension” reagieren?
3. März: The coming recession can kill us, can provoke violent conflicts, epidemics of racism and war. It’s good to know this. We are no[t] prepared to think the stagnation as a long-lasting condition, we are not prepared to think frugality, sharing, we are no[t] prepared to dissociate pleasure from consumption.
Doch die Situation heute ist eine unbekannte. Die Krise der Stunde ist keine kapitalistische Krise in erster Linie, also keine Krise wie die Finanzkrise 2008 oder andere Krisen, die durch die schon von Marx dargestellte Krisenhaftigkeit des Kapitalismus notwendig von Zeit zu Zeit auftreten. Die jetzige Krise wurde vom kapitalistischen System indirekt hervorgebracht durch Globalisierung, Welthandel und Ausbeutung von Natur, Tieren und Menschen beschleunigt, und dennoch wirkt es wie eine Krise die von außen zu kommen scheint, obwohl, wie oben beschrieben der Kapitalismus kein Außen zulässt. Doch der Virus scheint, so Bifo, so etwas wie ein „extra-systemic“ Faktor zu sein, etwas womit nicht nur nicht gerechnet wurde, sondern worauf momentan auch jegliche Antwort fehlt. Daher ein Funke der Hoffnung bei Bifo, dass dies vielleicht, gegen alle Wahrscheinlichkeiten, doch mehr sein könnte als ‚nur‘ eine weitere Krise:
6. März: Capitalism survived the financial collapse of 2008 because the conditions of the collapse were all inside the abstract relation between language, finance and the economy. But it may not survive the collapse that comes from epidemics, here an extra-systemic factor enters the fray.
Es war kein politischer Wille, kein geplanter Angriff, keine koordinierte Aktion die diese Krise hervorgerufen hat, sondern so könnte man auch in Hinblick auf seine Werke der letzen Jahre Bifo zusammenfassen, es war eine Art der kollektiven Erschöpfung. Die „biologischen Funktionen“ so Bifo wurden „müde“ mit der ständigen Beschleunigung und Intensivierung der kapitalistischen Ströme mitzuhalten. Bifo dazu:
5. März: First signs of yelling of the financial system, the economists remark that — differently than in 2008 — the Central Bank and other financial institutions have no tools for relaunching the system. For the first time the collapse did not come from financial or strictly economic factors: the crisis comes from the body’s collapse. The mind has decided to slow down the rhythm, and the general demobilisation is a symptom of surrendering. An effect and also a cause. The very biological function has entered in passivity mode, for reasons that have nothing to do with conscious will and a political project. Tired of processing neuro-stimuli that are more and more complex, humiliated by impotence in front of the omnipotent techno-financial automaton, the mind has lowered the tension. Psycho-deflation.
Bartleby und die Pandemie
Doch was soll diese “Müdigkeit” sein? Solche allgemeinen und abstrakten Bemerkungen überhöht mit einer poetischen Widerstandsrethorik sind nicht ungewöhnlich für Bifo aber auch andere Denker*innen des italienischen Postoperaismus. Doch für solche Einschätzungen ist es in der jetzigen Situation noch bei weitem zu früh, denn momentan scheint weniger der Widerstand als das unbedingte Aufrechterhalten des Status Quo das Ziel der allgemeinen Anstrengungen zu sein. Dennoch und das betont Bifo immer wieder in einigen der Einträge, ist es zu so etwas wie einem Stillstand gekommen, die ständige Beschleunigung, das unendliche Wachstum müssen gerade einen Rückschlag einstecken, nicht nur realpolitisch, sondern auch als Ideologie scheinen sie gerade jetzt weniger attraktiv:
4. März: For decades we have been unable to find a way out from the corpse of capitalism, but the shock following the convulsion gives way to a psychological deflation. In order to counter the stagnation and to relaunch profits, capitalism has forced us into constant competition, and has worked us to the bone in exchange for ever-decreasing salaries. Now the virus is deflating the bubble of acceleration. Maybe facing a common invisible enemy will generate nostalgia for social solidarity. It has been clear in the last decade that stagnation is the future of the world economy, but capital was pushing us to run faster and faster, for the sake of the absolute dogma of Growth. Revolution was unthinkable, as subjectivity was confused, depressed, and the political brain was unable to govern the chaotic complexity of social reality in the networked age.
Vielleicht also ist das Virus dafür zu nützen, vielleicht kann dieser Stillstand ein neuer Bezugspunkt werden. Ganz im Geiste der berühmten Formel von Melvilles Bartleby: „I would prefer not to” – stilisiert nun also Bifo das Nichts-Tun zum Widerstand? Doch machen die Leute momentan wirklich nichts? Oder arbeiten die meisten nicht noch viel mehr um zumindest nicht ganz unterzugehen, im Sozialsektor um Menschenleben zu retten oder auch allgemein in der Home Office um die eigene ökonomische Situation zumindest zu stabilisieren. Bifo jedoch beharrt auf dem Nichts-Tun:
4. März: The virus is paving the way to a subject-less revolution, a purely implosive revolution based on passivity and surrender. Let’s surrender. All of a sudden this slogan takes a subversive sound: stop excitement, stop the useless anxiety that is a worsening quality of life. Literally: nothing can be done anymore. So, let’s do nothing. It seems unlikely that the social organism will recover from this semio-psychotic virus, and the capitalist economy seems doomed.
Solch eine Perspektive lässt jedoch aus, dass es auch und besonders momentan eine Beschleunigung und Intensivierung gibt, nämlich ein Verstärken bestehender Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse. Die Gesellschaft, der Kapitalismus ist nicht einfach auf Halt, macht Pause und alle können durchatmen, vielmehr intensiviert sich besonders in Krisenzeiten der Druck und zwar vor allem auf ganz bestimmte Gruppen, jene die am wenigsten von den Milliardenpaketen der Regierungen erfasst und unterstützt werden, jenen also die schon vor dem Virus in prekärer Situation waren. Diese Gruppen und dieser zusätzliche und verstärkte Druck kommen in Bifos Überlegungen nicht vor und auch dieses Fehlen ist – wie so oft – bezeichnend.
Kampf um die Imagination
Im letzten bisher publizierten Eintrag erweitert Bifo jedoch noch einmal die Perspektive des Widerstandes. Es ginge nämlich nicht einfach nur darum nichts zu tun, sondern um eine – und das ist was Deleuze in seinem Text über Bartleby vor allem betont – aktive Verweigerung, einen Art Streik, jedoch ohne Forderungen. Ein unbestimmtes Streiken, eine unbestimmte Verweigerung, die neue Denkmöglichkeiten eröffnet. Bifo, der selbst einige Texte zu rechtem Terror verfasst hat, beschreibt gegen Ende, die Funktion von Terror als eine Einschränkung der Imagination, der Vorstellungskraft für etwas Neues. Doch die momentane Situation mit der erzwungenen Einschränkung, dem erzwungenen Stillstand der Mobilität könnte vielleicht genau die Imagination eines Anders, eines genuin Neuem befördern. Bifo dazu:
13. März: Terror is when the Imaginary is totally prevailing on the Imagination. But here we find the possible split: we might come out from the nightmare by the imagination of a possibility that yesterday was unthinkable: frugality, reduction of work time, equality, abandon of the paradigm of growth, investment of the social resources into research, education, health and pleasure.
Auf der Frage der Imagination aufbauend findet Bifo auch seine “Schlussworte” beziehungsweise seinen vorerst finalen hoffnungsvollen Aufruf. Das Neue zu imaginieren ist möglich, wie es aber aussieht ist noch völlig unbestimmt:
13. März: We might come out from it in a condition of extreme loneliness and aggressiveness. But we might also come out with the desire for embracing, caressing and for laziness. The virus is a condition for a mental jump that no politica[l] preaching could produce. Equality is back, at the centre of the scene. Let’s imagine that it is the starting point of the coming time.
Konklusion…?
Wie dargestellt ist für Badiou die Frage nach dem Neuen eine zentrale Frage im politischen Kampf. Badious Antwort auf Covid19 war, dass es gelte weiter an dem was er die dritte Phase des Kommunismus nennt weiterzudenken. Bifo schlägt einen anderen Weg vor, inhaltlich wie auch in der Form seines Textes. Das Neue ist nicht ein weiterschreiben alter Ideen. Das ungeplante und unbestimmbare Ereignis des Virus, so Bifo, ermöglicht eben auch außerhalb ständiger Profitlogik, Gewinnmaximierung und Wachstumsfetischismus zu Denken. Es ermöglicht neue Formen des Miteinander und von Care zu denken. Doch dieses Denken kann (noch) nicht in Form eines fertigen Textes präsentiert oder auch nur angekündigt werden. Es kann noch kein Manifest dazu geben.
Das fragmentarische, das Beiläufige mit dem verschiedenste ernste, sarkastische, humoristische aber auch persönliche, kapitalismuskritische, abstrakte und auch zynische, angstvolle, hoffnungserfüllte Überlegungen einfach so nebeneinander, ineinander gesetzt werden, geordnet nicht nach argumentativem Aufbau sondern chronologisch nach ihrem Einfall, dieses fragmentarische also behauptet noch nicht die Antwort gefunden zu haben. Bifos Aphorismen zeigen vielmehr den Versuch dieses Ereignis zu benennen, zu begreifen und sich damit einem möglichen Neuem zu nähern. Doch passend zur Unmöglichkeit eine aktuelle Situation jetzt schon abschließend zu beschreiben, können wir nur von Tag zu Tag neue, manchmal fortlaufende manchmal widersprüchliche Gedanken formulieren und nichts anderes stellen Bifos erste Tagesbuch-Aphorismen dar.