Minoritäre Technologien. Eine deleuzo-guattarische Technikphilosophie (Buchankündigung)

Es ist soweit. Meine erste Monographie ist erschienen! Das Buch Minoritäre Technologien. Eine deleuzo-guattarische Technikphilosophie ist im März 2024 bei Campus erschienen (mehr Informationen hier).

In den nächsten Wochen wird es hier am Blog ein wenig mehr Information dazu geben und auch kurze Einblicke in das Buch, die einzelnen Kapitel und die Thesen und Themen des Buches.

Der Klappentext beschreibt das Buch folgendermaßen:

Erstmals beleuchtet ein Forschungsband die bisher kaum beachteten technikphilosophischen Aspekte im Werk von Gilles Deleuze und Félix Guattari. In einer systematischen Darstellung werden zentrale Begriffe wie Maschine, Gefüge, Kontrollgesellschaft und Post-Media sowie wichtige Referenzautoren wie Spinoza, Marx, Simondon, Leroi-Gourhan und Foucault diskutiert. Mit seinem Konzept der »minoritären Technologien« aktualisiert Christoph Hubatschke die deleuzo-guattarische Techniktheorie und bezieht unter anderem auch feministische Einsätze mit ein. Deutlich stellt sich heraus, dass eine von Deleuze und Guattari informierte Technikphilosophie auch heute noch Antworten auf höchst relevante technopolitische Fragen gibt.

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eXodus

Der Exit besteht also in einer unbefangenen Erfindung, die die Regeln des Spiels abändert und die Kompassnadel des Gegners zum Rotieren bringt.” (Paolo Virno, Grammatik der Multitude, 97f)

Der so genannte „Twitter Exodus“ ist seit der Übernahme von Elon Musk in immer wieder aufbrandenden Wellen zu beobachten und gerade nach der US-Amerikanischen Wahl ist eine weitere Welle eines solchen Exodus, eines Auszugs aus dem verheißenen Land der begrenzten Zeichen, zu beobachten. Bedeutende Medien (allen voran der Guardian) haben sich von „X“ verabschiedet, öffentliche Institutionen genauso wie eine Reihe österreichischer Journalist*innen, aber auch zahllose andere verlassen „X“ oder legen ihre Accounts still.

Erfreulicherweise hat nachdem die Universität Wien letzte Woche ihren Account stillgelegt hat nun auch eine eigene Initiative unter österreichischen Wissenschaftler*innen im Rahmen eines heute veröffentlichten offenen Briefes (der hier runtergeladen werden kann) die eigene Abkehr von „X“ angekündigt und gleichzeitig einen Aufruf an österreichische Forschungsstätten gestartet, ebenfalls „X“ zu verlassen. Mit großer Freude habe ich diesen offenen Brief mitunterzeichnet und lege hiermit auch meinen „X“-Account still.

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Die Intelligenz dazwischen — Test.Lab 03

Wie auch schon bei den früheren Test.Labs haben wir uns diesmal wieder einen großen Begriff vorgenommen. Nach dem “Anthropozän/Kapitalozän/Chuthuluzän” und dem “Habitat” widmen wir uns diesmal dem maßlos überverwendeten und gleichzeitig völlig schwammigen Begriff der “Intelligenz”

Crystal 3 © Christian Faubel

Wieder bringen wir Künstler*innen, Expert*innen unterschiedlicher Felder (Philosophie, Physik, künstlerische Forschung, Architektur, AI, Robotik, Neurologie, uvm.) zusammen, in verschiedenen Formaten und Diskussionen um sich diesem großen Feld der Intelligenz in 7 Kapiteln zu nähern. Der Livestream aus dem WUK in Wien fand am Freitag den 16.04.2021 statt. Mehr Infos zu den Teilnehmer*innen. Der Stream kann auf Youtube nachgesehen werden (unten eingebettet), in Youtube kann auch der Live-Chat in dem es viele spannende Diskussionen gab, mitgelesen werden.

Einige Überlegungen zur Intelligenz

Nach mehr als 100 Jahren IQ-Test Geschichte und den damit einhergehenden Versuchen nicht nur Intelligenz zu definieren sondern sie auch festzusetzen und messbar zu machen, bleibt immer noch unklar was Intelligenz wirklich bedeutet, was Intelligenz ausmacht und was alles zur Intelligenz zählt. Ist Intelligenz überhaupt messbar oder eindeutig feststellbar? Hat alles Lebendige und vielleicht auch Nicht-Lebendige Intelligenz und ist es nur eine Frage des Grades wieviel Intelligenz? Und welche Parameter zeugen von Intelligenz? Wie Blade Runner mit dem Voight-Kampff-Test schon zur Diskussion stellte, muss gefragt werden ob Intelligenz nur eine rein logisch-analytische Leistung sei oder nicht viel mehr emotionale, emphatische, soziale und affektive Aspekte ähnlich oder noch viel wichtigere Teile von Intelligenz ausmachen. Gerade im Angesicht neuer Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz wird das emotionale, soziale und letztlich kreative Vermögen des Menschen wieder verstärkt hervorgehoben, weil es so die Hoffnung, zumindest jetzt noch, den Menschen als der Maschine überlegen erscheinen lässt.

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Ding.Wesen – Humanoide Roboter als künstliche Menschen und andere anthropozentrische Missverständnisse

Am Sonntag den 8.11. 2020 findet als Teil des Berliner Festivals Theater der Dinge, eine Tanz/Lecture Performance von H.A.U.S. statt, einer transdiziplinären Forschungsgruppe, die sich mit humanoider Robotik und Künstlicher Intelligenz beschäftigt. 

Ding.Wesen versucht eine Verschränkung von improvisierten Tanz, technischen Interventionen, musikalischen Improvisation und theoretischem Vortrag, die sich mit dem Status (humanoider) Dingwesen beschäftigt und dabei anthropozentrische Vorstellungen einer Sonderstellung des Menschen, dem Objekt-Status der Dinge, der Rolle von neuen Technologien und den daraus resultierenden menschlichen Normen beschäftigt. Ich selbst bin Teil dieser Performance und werde mit Spinoza, Haraway, Deleuze, Sylvia Wynter und anderen wichtigen Denker*innen nach den Möglichkeiten einer nicht-anthropozentrischen Begegnung mit Dingwesen fragen und die Notwendigkeit einer relationalen Ontologie andeuten. Der Text ist dabei zu tiefst von den Tanzstudien von Eva-Maria Kraft inspiriert, die mit zwei seriell produzierten humanoiden Robotern (Marke: Pepper) performen wird.

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Anthropozän / Kapitalozän / Chthulucene

Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist der Begriff des Anthropozäns omnipresent. In diesem Begriff/Konzept verbinden sich schließlich gleich eine ganze Reihe an zentralen Fragen und Problemen unserer Zeit, allen voran natürlich die ökologischen Katastrophen aller Art, der Klimawandel aber eben auch globale Pandemien. Mittlerweile haben die meisten Philosoph*innen auf den Begriff des Anthropozäns auf die eine oder andere Art Bezug genommen, allen voran natürlich Bruno Latour mit seinem Terrestrischen Manifest und seinen Texten zum Gaia-Konzept. Im Folgenden möchte ich mich jedoch in aller Kürze durch ein paar Zitate mit zwei alternativen Konzeptionen oder Gegenbegriffen (und zwei Autor*innen, nämlich Jason Moore und vor allem Donna Haraway) zum Anthropozän beschäftigen. Anlass hierfür ist, wie hier unten genauer nachgelesen werden kann, meine Teilnahme an einem transdisziplinären Labor, das zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik agiert und einen offenen Raum für Diskurs und Reflektion bieten möchte. In der ersten Testlauf dieses Labors, das in Wien in den nächsten Monaten öfters stattfinden wird, steht nun eben genau der Begriff des Anthropozäns im Zentrum, aber auch die Gegenbegriffe und Gegennarrative, mehr dazu am Ende des Eintrags.

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Quicktakes IV: Demo mit Abstand — ‘braver’ Protest oder radikaler Widerstand?

Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.

Der 1. Mai ist traditionell ein wichtiger Tag der Aufmärsche und Proteste. Weltweit werden heuer die Straßen leerer sein und die Proteste leiser. Selbst in den Ländern, in denen eine langsame Lockerung der Maßnahmen und damit eine schrittweise Öffnung passiert, ist ein großer Aufmarsch, dicht gedrängt unvorstellbar. Dass der 1. Mai dennoch gefeiert und begangen wird steht außer Frage und in den verschiedensten Städten bereiten sich unterschiedliche Gruppen auf eine ganze Reihe von Kundgebungen und Proteste mit social distancing, Masken und sonstigen notwendigen Vorkehrungen vor. So z.B. die Mayday Parade in Wien oder auch andere Kundgebungen wie die 10 ‑Jahres Feier des Boem.

In meinem letzten Beitrag habe ich mich bereits etwas ausführlicher mit der Frage des Protestes in Zeiten der Pandemie beschäftigt, über Möglichkeiten und Probleme von Demos und Kundgebungen ohne Ansteckungsgefahr und den Tücken von reinem Online-Protest nachgedacht. Dabei habe ich mich auch mit dem Unterschied verschiedenster linker und progressiver Kundgebungen, die für eine Sache demonstrieren, dabei jedoch nicht den Virus verbreiten wollen und andere in Gefahr bringen wollen und den immer zahlreicher werdenden unterschiedlichen rechten und vermeintlich apolitischen Protesten von verschiedensten Gruppierungen gegen die Pandemie-Maßnahmen selbst, geschrieben.

Es geht nicht darum, die Gefahren des Virus zu ignorieren, sondern jene Gefahren aufzuzeigen, denen Menschen immer, und seit Ausbruch des Virus verstärkt, ausgesetzt sind.

(Aus dem Demo-Aufruf der Mayday-Wien)

Es bleibt offen und schwer einzuschätzen wann große Proteste wieder möglich sein werden, notwendig sind sie es jetzt schon. Trotz zahlloser kreativer und auch radikaler Proteststrategien linker und progressiver Gruppierungen, die nicht zu einer Verbreitung des Virus beitragen, bekommen die rechten Proteste gegen die Maßnahmen oftmals mehr Aufmerksamkeit, sei es weil sie skurril sind und dabei absurde und krude Verschwörungstheorien verbreitet werden, oder weil sie besonders martialisch und gewaltsam auftreten (wie z.B. diese Tage in Michigan). Die Teilnehmerzahl dieser Proteste bleibt dennoch überschaubar. Die größten Proteste jedoch, die es derzeit gibt, sind nicht gegen die Maßnahmen und für mehr „individuelle“ Freiheiten, sondern genau gegen den Zwang rausgehen zu müssen und in den Fabriken und Lagerhallen der großen Konzerne ohne die nötigen Schutzmaßnahmen arbeiten zu gehen. Momentan beginnt eine nicht zu unterschätzende Streikwelle, Protestkundgebungen also, die darauf hinweisen, dass es nicht darum geht dass niemand rausgehen darf, sondern darum, dass selbst in stark betroffenen Regionen viele rausgehen müssen (Siehe dazu auch meinen Beitrag zur Kontrollgesellschaft).

wer Arbeiten muss – muss auch Demonstrieren dürfen – muss auch Wählen dürfen! (

(Aus dem Kundgebungsaufruf des Boem)

In diesen Quicktakes möchte ich daher einige kurze Anmerkungen zu Texten zusammentragen, die sich ebenfalls mit den Problemen und Möglichkeiten von Protesten in diesen Zeiten beschäftigen, verschiedenste Beispiele sammeln und darüber hinaus soll auch die Frage der Ungleichheit und die Rolle von Institutionen in aller Kürze angesprochen werden. Hierzu gibt es Texte über Protest und Organisation international, fokussiert auf den deutschsprachigen Raum, die Frage der Ungleichheit in der Pandemie und der Stärkung autoritärer Politik sowie Ausschnitte aus den Kundgebungsaufrufen zum 1. Mai vom Boem und der Mayday-Wien.

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Protest und Pandemie. Einige Überlegungen

Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.

Credit: Elad Gutman siehe diesen Tweet

Während der Pandemie und ihren Ausgangsbeschränkungen nützte das Regime in Hong Kong die erzwungene Protestpause um Aktivist*innen zu inhaftieren. Gleichzeitig gingen die Bilder des größten Massenprotestes mit social distancing bisher, aufgenommen bei Protesten in Israel um die Welt. Doch wie ist Protest in der momentanen Situation möglich und welche Herausforderungen stellen sich hier? Wer kann im öffentlichen Raum protestieren, wer nicht?

Die momentane Situation der Ausgangsbeschränkungen hat auch Auswirkungen auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und auf das Demonstrationsrecht. Soziale Bewegungen aber auch einzelne politische Proteste haben eine ganz besonders innige Verbindung zum öffentlichen Raum. Öffentlicher, zumeist städtischer, Raum ist für Proteste und Bewegungen weit mehr als nur ein Versammlungsort, mehr als nur der Ort an dem es gilt in Erscheinung zu treten. Der öffentliche Raum ist vielmehr Begegnungsort, Organisationsort, Ort des politischen Kampfes und oftmals auch Ziel und Inhalt der Proteste er kann aber auch, wie vor allem die sogenannte Welle der Platzbesetzungsbewegungen der letzten zehn Jahre zeigte, vorübergehender Wohnort, Ort der politischen Bildung und zentraler Bezugspunkt der Bewegung sein. Occupy Wall Street wurde mit dem Slogan „Are you ready for a Tahir moment” ins Leben gerufen, also inspiriert durch die Anrufung der platzzentrierten Bewegung in Ägypten, die Gezi-Bewegung nutzte den besetzen Ort nicht nur zur Organisation, sondern schützte diesen Ort damit auch vor dem Verschwinden und so ließen sich zahlreiche Beispiele aufzählen, die die intrinsische Verbindung sozialer Bewegungen und öffentlicher Räume aufzeigen. An anderen Stellen habe ich über die vielfältigen Zusammenhänge des öffentlichen Raums und sozialer Bewegungen ausführlicher geschrieben, einen Überblick über diese Artikel finden Sie am Ende dieses Beitrags (hier).

In Zeiten der Pandemie, in denen der öffentliche Raum nicht nur für politische Proteste sondern für nahezu alle Tätigkeiten (vor allem jenen, die keinen ökonomischen Mehrwert erzeugen) gesperrt ist, stellt dies Soziale Bewegungen vor neue Herausforderungen. Wie kann unter diesen Umständen demonstriert werden, wie kann man sich weiter organisieren, wie weiter auf die Missstände und Probleme aufmerksam machen, wie soziale Ungleichheiten bekämpfen und aufzeigen. In den letzten Wochen wurde daher mit vielen unterschiedlichen Ideen und Protestformen experimentiert. Online Petitionen und Proteste auf Social Media (Avatar-veränderungen, Blogrolls, etc.) erfreuen sich dabei verständlicherweise besonderer und vielleicht auch erneuter Beliebtheit. So hat z.B. auch die Fridays for Future Bewegungen versucht ihre wöchentlichen Kundgebungen in online-Form weiterzuführen. Doch auch Versuche den Protest auf die Straße zu bringen gab es viele, von unterschiedlichen Seiten und mit unterschiedlichen Erfolgen. Im Folgenden sollen einige Ambivalenzen solcher Versuche, mögliche Unterschiede zwischen linken und rechten Straßenprotesten und schließlich auch einige Probleme Social Media getriebener Proteste in aller Kürze reflektiert werden. Dazu gibt es auch einen kurzen Quicktakes-Beitrag zur Frage der Ungleichheit und des Protests in Zeiten der Coronavirus-Pandemie.

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Agamben IV: Wessen Freiheit auf wessen Kosten?

Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.

Es ist wieder mal so weit. Abermals scheint es notwendig über Giorgio Agambens Texte zum Coronavirus zu schreiben. Agamben kann es nicht lassen weiter zu provozieren und wird mit seinen Thesen zu Covid19 immer aggressiver, angriffiger und noch problematischer (man hätte es fast nicht für möglich gehalten

Agambens erste Texte zu Covid 19 (hier eine Analyse und Kritik des ersten Textes und hier die Analyse und Kritik des zweiten Textes von Agamben) haben international wohl die größte Aufmerksamkeit aller philosophischen Beiträge zum Virus bisher bekommen. Zum größten Teil waren dabei die Antworten und Reaktionen auf Agamben, Ablehnung und tiefgreifende Kritik. Agambens Bemerkungen waren vor allem geprägt von verschwörungstheoretischen Überlegungen zur Dramatik des Virus (so behauptete er, das Virus sei gleichzusetzen mit herkömmlichen Grippeviren), genauso wie seine Kritik an den laut ihm maßlos überzogenen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus, also der „lockdown“ und „social distancing“. Agamben bezeichnete die Maßnahmen des Staates als endgültige Implementierung dessen was er den Ausnahmezustand nennt, und sah in den Ausgangsbeschränkungen vor allem eine Einschränkung der persönlichen Freiheit und ein damit ein Regime des reinen biologischen Lebens (mehr dazu hier).

Agamben wurde von den verschiedensten Seiten stark kritisiert, sogar von befreundeten Kollegen wie Jean-Luc Nancy oder auch Roberto Esposito. All diese Kritiken und Widerlegungen dürften ihn aber vor allem motiviert haben nicht nur nicht locker zu lassen sondern immer mehr und immer wieder über Covid19 zu schreiben. Fast wie ein ‚Internettroll‘ scheint ihn der Widerspruch und die Kritik zu bestärken und anzufeuern weiterhin die Gefahr zu relativieren und damit zum Hauptbezugspunkt einer immer größer und vor allem lauter werdenden Gruppe an ‚Covid19-Verhamlosern‘ zu werden, die durch den Bezug auf seine Texte hoffen, ihren Wirtschaftsliberalismus mit moralischen Begriffen intellektuell kaschieren zu können.

Man könnte ja auch meinen, dass die Entwicklungen, gerade in Italien, Agamben zu denken gegeben hätten, aber all die dramatischen Zahlen haben Agamben nicht nur nicht dazu gebracht seine Meinung zu ändern, sondern scheinen ihn noch mehr bestärkt zu haben. Nahezu jede Woche erschien seither ein neuer Text von ihm, im Wesentlichen mit denselben Punkten, die auch schon in den ersten Texten vorgebracht wurden: Das Virus sei nicht so schlimm, dass es diese dramatischen Freiheitseinschränkungen rechtfertige und die Pandemie wird vor allem dafür genutzt, endgültig eine Biopolitik des nackten, also nur noch biologisch verstandenen, Lebens zu implementieren.

Diese Woche hat Agamben in seinem neuesten Kommentar nun sogar den „Zusammenbruch der liberalen Demokratie“ beklagt, und schreckt auch nicht davor zurück, die Maßnahmen gegen die Virusverbreitung mit den Taten des Naziregimes und jene die diese Maßnahmen befürworten oder für notwendig halten, mit Adolf Eichmann zu vergleichen. Damit stellt der aktuelle Text wohl einen der intellektuellen Tiefpunkte des bisherigen philosophischen Diskurses über das Coronavirus dar. 

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Zukunftsgeschichten: Inspirationen aus der Popkultur oder wie das Virus denken

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Leere Straßen und Stadtzentren, Menschen mit Gesichtsmasken, ein Virus, das nach und nach die ganze Welt erfasst und die politischen, sozialen, ökonomischen, ökologischen, wissenschaftlichen, psychologischen und kulturellen Aspekte dominiert. Wer fühlt sich hier nicht an die apokalyptischen Science Fiction und Horror Filme der letzten Jahrzehnte erinnert. Der Untergang einer Welt wie wir sie kennen durch einen Virus ist ein Hauptmotiv des gerade in den letzten Jahren enorm populären Zombie-Genres. Doch weit über dieses Genre hinaus hat sich insbesondere die Science Fiction und Horror Kultur mit Szenarien, ähnlich zu unserer jetzigen Situation, auseinandergesetzt.

Nachdem schon zu viele Menschen in den letzten Wochen Albert Camus Die Pest ‚zitiert‘ haben oder teilweise auch wirklich gelesen haben, bleibt die Frage welche Werke der Science Fiction Genres besonders in einer Situation wie der jetzigen von Interesse sind. Damit ist nicht nur gemeint diese Situation beschreiben, sondern tatsächlich auch zum Denken anregen und damit einerseits die Kritik der bestehenden Verhältnisse befördern oder/und die an anderer Stelle beschriebenen Aufrufe zur Imagination eines Neuen anleiten und initiieren könnten. Im Folgenden versammle ich daher einige Ausschnitte aus theoretischen Texten, in denen sich die Autor*innen von bestimmten Werke der Science Fiction oder Horror-Kultur inspiriert fühlen.

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Quicktakes III: Beschleunigung, Entschleunigung und die Unsicherheit vor dem Virus als Feind

Dieser Beitrag ist Teil der Coronavirus und die Philosophie Serie. Einen Überblick über die weiteren Teile dieser Blogbeitragsserie gibt es hier.

In den Quicktakes (siehe auch I und II), also kurzen Zusammenfassungen und Kommentierungen einzelner Artikel, dieser Woche ist das verbindende der besprochenen Beiträge einerseits, dass hier allesamt „Stars“ der deutschsprachigen Philosophie- und Theorieszene versammelt sind. Byung-Chul Han, Jürgen Habermas, Armen Avanessian und Hartmut Rosa sind im deutschsprachigen Raum aber auch weit darüber hinaus vielzitierte und viel gefragte Denker. Inwiefern ihre Thesen dennoch sehr kritisch zu sehen sind, wird im Folgenden diskutiert.

Doch darüber hinaus verbindet die Beiträge auch ihre Betonung bestimmter Aspekte der Coronakrise. Besonders im Fokus der Analysen dieser Denker steht die Unsicherheit als globales und in dieser Intensität schon seit Generationen nicht mehr empfundenes kollektives Gefühl. Was machen, wie handeln und wann welche Maßnahmen treffen. Politisches, gesellschaftliches aber auch individuelles Handeln muss bis zu einem gewissen Grad momentan auf einem Nicht-Wissen, einer Unsicherheit aufbauen. Han betont daher die Substitution der Berechenbarkeit einer Situation mit einer anderen etablierten Form des politischen Diskurses, denn auch wenn alles von Unsicherheit geprägt zu sein scheint, stellt das Virus einen gemeinsamen Feind dar. Der dritte Aspekt der die hier versammelten Beiträge verbindet ist die Frage nach Geschwindigkeiten. Die rasante Ausbreitung des Virus hat dabei jedoch eine Entschleunigung oder „Vollbremsung“, wie Rosa sagt, im gesellschaftlichen und sozialen Leben zur Folge. Wie also mit diesen gleichzeitigen Ungleichzeitigkeiten umgehen?

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